Kriegseinsatz der Wissenschaften 1939-1945

Am 7. September 1939, eine Woche nach dem Überfall auf Polen, schloss der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung per Erlass alle deutschen Hochschulen. Rektor Wilhelm-Kästner verkündete die Unterbrechung des Lehrbetriebes, verfügte die Schließung von Audimax, Hauptgebäude und dem Seminargebäude in der Domstraße 9a und veranlasste, dass alle Studenten, die ihren Gestellungsbefehl erhielten, noch im September und Oktober Notexamen ablegen durften. Schon wenige Tage später wurden die Rektoren aufgefordert, nun doch den Lehr- und Forschungsbetrieb aufrechtzuerhalten und zur Kompensation für einberufene Lehrkräfte Assistenten mit verlängerter Dienstzeit einzustellen. Am 8. Dezember erteilte der Reichsminister die Genehmigung zur Wiedereröffnung der Universität Greifswald, allerdings zu veränderten Bedingungen, da die Kriegswirtschaftsordnung vom 4. September 1939 Kürzungen der Haushalte im Wissenschaftsbereich mit sich brachte, die zu drastischen Einschnitten in der Universitätsverwaltung und im Bereich der Literaturversorgung führten. Ab 1943 sollte der allgemeine Lehrbuchmangel ein ernstes Thema werden. Von den für das Rechnungsjahr 1939 noch zur Verfügung stehenden Fonds führte die Universität nahezu 20 Prozent an die Reichskriegskasse ab. Alle größeren Bauvorhaben waren damit „bis nach Kriegsende“ aufgeschoben, auch der Neubau der Chirurgischen Klinik, der in diesem Jahr beginnen sollte. Der durch die Schließung der Universitäten bei Kriegsbeginn eingetretene Rückstand im Studienablauf sollte durch die Einführung von Trimestern mit einer Dauer von 18 Wochen kompensiert werden. In Greifswald wurde mit Beginn des 2. Kriegstrimesters im Januar 1940 der Lehrbetrieb wieder aufgenommen. Beinahe gleichzeitig wurde die allgemeine studentische Dienstpflicht verordnet. Neben Arbeitseinsätzen verschiedenster Art gehörte dazu in den Nordischen Instituten auch die systematische Auswertung der skandinavischen Presse im Auftrag der Wehrmacht. Die Forschung konnte nur in den Disziplinen fortgesetzt werden, die als „kriegswichtig“ galten. Dieser Status der „Unabkömmlichstellung (uk.)“ war personalisiert und wurde zunächst nur wenigen Wissenschaftlern zugesprochen.. Im Physikalischen Institut zum Beispiel wurden mehrere Nachwuchswissenschaftler eingezogen. Dessen Direktor Rudolf Seeliger strukturierte das Institut daraufhin um und übertrug die Leitung der Abteilung Wehrphysik an Otto Reinkober, der vor allem zu den Grundlagen der Nachtsichtfähigkeit forschte. Seeliger selbst befasste sich mit Lichtbögen (zeitgenössisch „Hochstrombögen“), was angesichts von deren Verwendung zum Beispiel in Flak-Scheinwerfern als kriegswichtig galt. Die Akten der Rüstungsinspektion des Wehrkreises II sind jedoch verloren, so dass genaueres nicht ermittelt werden konnte. Die Kliniken waren vor allem als Reservelazarette in den Krieg eingebunden. Die kriegswichtigen Forschungen konzentrierten sich im Pharmakologischen Institut. Die Hautklinik beendete ihre Untersuchungen zum Kampfstoff Lost mit Kriegsbeginn, weil die Mitarbeiter der Arbeitsgruppe eingezogen wurden.