Lehrbetrieb

Neben den Einschränkungen für die Lehre, die die zunehmende Ausrichtung der Forschung auf kriegswichtige Bereiche mit sich brachte, führten auch die Einberufungen unter der Dozentenschaft – obgleich auch die Studentenzahlen rapide sanken – zu Engpässen in der Lehre. 1943 waren 24 Professoren und 12 Dozenten zur Wehrmacht eingezogen, einige allerdings mit dem Stationierungsort Greifswald.
Der „Führererlass zum umfassenden Einsatz von Männern und Frauen für die Reichsverteidigung“ von Anfang 1943 hatte keine Auswirkungen auf die Universität, da der Reichsverteidigungskommissar für Pommern die Weiterführung des Lehr- und Forschungsbetriebes verfügte. Greifswald war mittlerweile die einzige Universität in Mittel- und Norddeutschland, die vom Krieg verschont geblieben war. Ihre Einrichtungen konnten uneingeschränkt arbeiten, da Greifswald auch kein Ziel des alliierten Luftkrieges darstellte. Der wichtigste Grund für die Ausnahmestellung dürfte die bedeutende Rolle der Medizinischen Fakultät in der Ausbildung für den militärärztlichen Bedarf gewesen sein. Dafür mussten auch Kapazitäten für den Unterricht in Biologie und Physik vorgehalten werden. Immerhin verfügte der Reichserziehungsminister noch im November 1944, dass die Medizinische Fakultät uneingeschränkt weiterarbeiten sollte, nicht zuletzt, weil die Lehrkräfte ohnehin im Reservelazarett beschäftigt waren.
Der „totale Kriegseinsatz“ und die „totale Mobilisierung“ legten ab Sommer 1944 den Studienbetrieb weitgehend lahm. Nach den Beschlüssen der Posener Rektorenkonferenz sollte nur das Studium in den Fachrichtungen Mathematik, Physik, Ballistik, Hochfrequenztechnik und Fernmeldetechnik in allen Semestern fortgesetzt werden. Das Studium der Zahnmedizin und Pharmazie konnte nur von den Studenten weiter betrieben werden, die mindestens im 4. Semester standen. In der allgemeinen Medizin durften nur die letzten klinischen Semester das Studium fortsetzen. In den übrigen Studiengängen sollten lediglich die Examenssemester an den Hochschulen verbleiben. Hinsichtlich der Immatrikulationen legte ein Erlass des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung im März 1944 fest, dass nur noch Versehrte, Frontstudienurlauber und Studienfortsetzer aufgenommen werden sollten. Im September 1944 wurden nur noch Wehrversehrte und Kriegerwitwen zur Erstimmatrikulation zugelassen.

Nichtsdestotrotz stieg die Zahl der Studierenden in Greifswald stark an – allerdings mit dem untypischen Nebeneffekt, dass nun mehr als die Hälfte der Studierenden weiblich waren. Vor allem an der Medizinischen und der Philosophischen Fakultät waren ihre Zahlen förmlich explodiert.

Die Zahl der ausländischen Studenten, die 1939 nach Kriegsbeginn drastisch eingebrochen war, erholte sich nach den offiziellen Statistiken im Sommersemester 1942 wieder und erreichte bald darauf das Doppelte des Vorkriegsstandes. Im Wintersemester 1944/45 studierten in Greifswald 53 Ausländer aus 15 Ländern – vorwiegend Medizin. Neben den skandinavischen Ländern kamen sie überwiegend aus dem Protektorat Böhmen und Mähren. Besonders diese Studenten wurden überwacht und durften sich auch untereinander nur der deutschen Sprache bedienen. Die Universität bot zur Unterstützung verstärkt Unterricht in deutscher Sprache an, der zum Beispiel von dem Germanisten Theodor Steche erteilt wurde.
Ab Oktober 1944 wurden fast alle Studentinnen und Studenten per Erlass zum „totalen Kriegseinsatz“ herangezogen. Auch an der Universität Greifswald begann die Mobilmachung der Gefolgschaft. An zahlreichen Universitäten wurde der Lehrbetrieb eingestellt, Greifswald fungierte jedoch in dieser Zeit als Auffanguniversität für Hamburg, Kiel und Rostock, woraus sich die deutlich erhöhte Anzahl Studierender zum Teil erklärt.
Mit dem Näherrücken der Roten Armee wurden die Studentinnen zu „Schipparbeiten“ verpflichtet. Ihre männlichen Kommilitonen erhielten Stellungsbefehle zum Volkssturm, wie auch einige Angehörige des Lehrkörpers. Am 16. April 1945 sollten die Vorlesungen des Sommersemesters beginnen, aber an der Medizinischen Fakultät waren nur 29 Studienanmeldungen eingegangen und an den anderen Fakultäten war die Situation nicht anders.