Profilierungen 1936-1939
Auf die Gleichschaltung als Konsolidierungsphase der nationalsozialistischen Herrschaft folgte eine Etappe, die von einer gewissen Statik und Stabilität geprägt war. So wurden den 1933 hinzugekommenen Lehrinhalten kaum noch neue hinzugefügt. Die eigentliche Dynamik vollzog sich innerhalb der Disziplinen. Bei den Geographen und Geologen wurde die Raumforschung zunehmend wichtiger. Im Ringen um eine zeitgemäße Frömmigkeit suchten Philosophen den Anschluss an die NS-Ideologie ebenso wie die Vorgeschichtler und Volkskundler in ihrem, von ihnen selbst so bezeichneten „Volkstumskampf“ gegen die Slawen. Im Straf-, Polizei- und Völkerrecht beteiligten sich die Greifswalder Professoren an den juristischen Debatten, die den Aufbau der NS-Justiz begleiteten. Der Rassenhygieniker Günther Just verwirklichte sein Forschungsprogramm zu Schulkindern und der Bevölkerung Pommerns und die Philosophische Fakultät arbeitete daran, in Greifswald die 1876 geschlossene Landwirtschaftsakademie wieder auferstehen zu lassen. Obwohl sich diese Pläne schlüssig in die Autarkiebestrebungen des Regimes einbetteten, waren sie nicht gleichzusetzen mit der Herstellung von Kriegsbereitschaft. In dieser Phase hatten diejenigen die größten Chancen, ihr wissenschaftliches Profil zu schärfen, die das Integrationsangebot des Regimes annahmen. Dabei wirkten teilweise komplexe Funktionszusammenhänge. Andere Profilierungen waren klar militärisch motiviert, etwa die Lostforschung in den medizinischen Kliniken. Insgesamt erkannte das NS-System die „Ressource Wissenschaft“ für die Wichtigkeit eines künftigen „Revanchekrieges“ und sprach damit die Professorengeneration an, die im Ersten Weltkrieg an der Front gekämpft hatte. Hier setzten in jüngerer Zeit die Fragestellungen an, zum Beispiel bei den Forschungen zur Geschichte der Universität Jena. Doch nicht nur dort wurden die Kollaborations- oder Kooperationsverhältnisse der akademischen Eliten in einer „Zustimmungsdiktatur“ genauer in den Blick genommen. In der Phase der sich selbst mobilisierenden und damit profilierenden Universität musste die Perspektive der Akteure eingenommen und nach systemimmanenten Funktionsmechanismen gefragt werden.