Die Kliniken und die Beratenden Ärzte
Die Universitätskliniken schlossen bereits vor Kriegsbeginn einen Vertrag mit der Wehrmacht, in dem sie sich verpflichteten, eine Anzahl von Plätzen in Form von Lazarettabteilungen bereitzustellen. Das betraf etwa 30 bis 40 Prozent des Bettenbestandes. Die Folge war eine Unterversorgung der Zivilbevölkerung, die auch durch die Fertigstellung des Luftwaffenlazaretts 1941 nicht wesentlich gemildert werden konnte. In den Innenhöfen der Kliniken wurden Baracken aufgestellt, um den Bedarf an Krankenbetten zu decken. Bei der Hautklinik gab es zwei Baracken für Kriegsgefangene, vor allem Soldaten der Roten Armee.
Für die Ärzte in den Universitätskliniken ergab sich eine hohe Arbeitsbelastung, da viele Kollegen zur Wehrmacht eingezogen waren. Nur die Kinderklinik hatte vor Kriegsbeginn ausreichend viele Fachärztinnen ausgebildet und war entsprechend weniger betroffen. In den anderen Kliniken kamen nur wenige Ärztinnen zum Einsatz.
Die eingezogenen Ärzte hatten zum Teil hohe Positionen inne. So diente Wilhelm Richter beim Besatzungsheer in Polen, später war er Divisionsarzt an der Ostfront, wo er 1944 fiel. Mehrere Professoren leisteten Kriegsdienst als Beratende Ärzte, zum Teil im Wehrkreis II (Pommern und Mecklenburg), zum Teil an der Front. Als Beratende Ärzte hatten sie nicht nur eine Unterstützungsfunktion, sondern überwachten auch das reibungslose Funktionieren der Lazarette und Verbandsplätze. Der Psychiater Rudolf Thiele richtete zum Beispiel in Stargard ein Speziallazarett für nervenverletzte Soldaten ein. Außerdem erstattete er auch Gutachten über Soldaten, die an Kriegsfolgen litten. Darunter waren vor allen schwierig deutbare Fälle, etwa ein Patient mit Narkolepsie, bei dem Thiele auch organische Veränderungen feststellte, die anderen Ärzten nicht aufgefallen waren.
Der Internist Gerhardt Katsch leitete das Reservelazarett der Universität Greifswald seit 1939. Mit seinen Oberärzten richtete er eine Art Rotationssystem ein, damit nicht nur die jüngeren, sondern auch er selbst an der Front eingesetzt werden konnten. Daher war er 1941/42 auf dem Balkan tätig, wo er vor allem mit der epidemischen Gelbsucht konfrontiert war. An der Ostfront erlebte er im Sommer und Herbst 1943 die ersten Rückverlegungen mit. Hier traf er bei der Kontrolle einer Feldstrafgefangenenabteilung auf unhaltbare Missstände. Gegen deren Personal leitete er Verfahren ein. Etwa 200 Gefangene mit schwerster Unterernährung ließ er in Lazarette überführen und rettete so ihr Leben. Im Wehrkreis II erlebte Katsch nach seiner Rückkehr Diphterieepidemie, für deren Ausbruch er ärztliches Versagen verantwortlich machte und dann mithalf, die Mängel abzustellen. Als Oberstarzt war Katsch nach der Flucht der Wehrmachtsstäbe in Richtung Westen der ranghöchste Militärarzt in Greifswald und plädierte für die kampflose Übergabe der Stadt.