„Profillinie Norden”

Die Absage an die Internationalität von Wissenschaft gehörte zu den Kernpositionen nationalsozialistischer Hochschulpolitik. Es gab allerdings Ausnahmen. Zu ihnen gehörte die Pflege der Kontakte, in manchen Fällen auch die gezielte „nationalsozialistische Aufbauarbeit“ bei den „artverwandten Völkern“. Die Universität Greifswald nahm mit ihrem Nordischen Institut und dem Institut für Finnlandkunde von Anfang an eine wichtige Position im Rahmen dieser Aufbauarbeit ein. Das Interesse für „artverwandte Völker“ – darunter subsumierte man den gesamten „germanischen Norden“ – war nicht ausschließlich akademischer Natur. Es folgte auch einem propagandistischen Anliegen, das sich im Sinne der Verbreitung eines transnationalen „germanisch-arischen Rassebewusstseins“ sowohl nach innen als auch nach außen richtete. Diesem rasseideologisch geprägten Impuls ist es neben den hinzu tretenden politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interessen des Dritten Reiches zu verdanken, dass die Tätigkeit des Nordischen Instituts nach 1933 zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit rückte. 
Ein Zeichen der wachsenden Bedeutung des Instituts ist seine umfassende Restrukturierung. Bereits 1920 wurde im Nordischen Institut eine Finnland-Abteilung gebildet, die 1922 in ein eigenständiges Institut für Finnlandkunde umgewandelt wurde. Die Beseitigung des Gesamtvorstandes des Nordischen Instituts 1933 und die Bildung der vier Länderinstitute für Dänemark, Island, Norwegen und Schweden folgte dem Wunsch nach einer stärkeren politischen Ausrichtung der Institutsarbeit und schaffte Platz für personelle Neuregelungen, die der Umsetzung dieses Anliegens entgegenkamen.
Die Auslandsinstitute übernahmen eine wichtige Vermittlungsfunktion, indem sie die Vernetzung des sich in Greifswald neu ausbildenden Forschungsprofils hinsichtlich der Rassenhygiene, der Raum- und Ostforschung und deren historisch-kultureller Legitimierung mit ähnlich ausgerichteten Forschungen in Finnland, Norwegen und Schweden ermöglichte und beförderte. Sehr früh richteten sich die Forschungen an den neu gebildeten Nordischen Auslandsinstituten nicht nur an den politischen, sondern auch an den rasseideologischen Prämissen des NS-Staates aus. Symptomatisch dafür ist das Kooperationsbemühen des Norwegischen Instituts, das in Verbindung mit dem neu gebildeten Institut für menschliche Erblehre und Eugenik bereits Anfang 1934 den bekannten Rassenhygieniker Jon Alfred Mjøen (1860-1939) zu einer Serie von öffentlichen Abendvorlesungen über „Den nordischen Staat auf biologischer Grundlage“ einlud. Mjøen, der 1906 das Vinderen Biologiske Laboratorium bei Oslo begründete, hatte ein rassenhygienisches Programm für Norwegen entworfen und ein entsprechendes Komitee gegründet.

Auch mit anderen mutmaßlich „deutschfreundlichen“ Wissenschaftlern wurden Kontakte gepflegt. Da die Haushaltsmittel für die nordischen Institute aber nicht erhöht wurden, verließen die gut ausgebildeten Nachwuchsforscher jedoch häufig die Universität und wechselten zur Wehrmacht oder zu Nachrichtendiensten, etwa zum Überwachungsamt der Luftwaffe oder zum Sicherheitsdienst der SS. In Greifswald wurden verschiedene Projekte von der DFG gefördert, etwa die Anlage einer nordischen Bibliographie. Im Übrigen begnügte man sich mit Symbolpolitik. So empfing die Universität 1937 auch den Oberkommandierenden der Finnischen Wehrmacht.

Die Rolle, welche die Nordischen Auslandsinstitute bei der nachrichtendienstlichen Aufklärung in Bezug auf Norwegen, Island, Schweden, Finnland und Dänemark spielten, ist bisher überschätzt worden. Dazu waren sie nicht leistungsfähig genug. In den Instituten wurden aber Informationen für die Wehrmacht aufbereitet, die hauptsächlich aus Zeitungslektüre resultierten. Außerdem verfügten die Institute über gutes Kartenmaterial. Personell waren sie jedoch nicht in der Lage, alle von außen herangetragenen Aufgaben zu erfüllen. Hinzu kam die hohe Fluktuation. Der Assistent Günther Falk wechselte hauptamtlich zum SD in Norwegen. Hier befasste er sich mit Briefkontrolle und überwachte unter anderem eine Verbindung, welche die Deutschen für rassisch minderwertig hielt. Sein Nachfolger Heinz Krüger wurde 1941 zur deutschen Gesandtschaft in Stockholm abgeordnet. Hier versuchte er Agenten zu rekrutieren, was sich angesichts der politischen Lage als schwierig herausstellte. Mit mehr Erfolg agierte der ordentliche Professor Johannes Paul, der in Schweden und Finnland zahllose Kontakte pflegte. Im Auftrag der Abwehr baute er in Finnland ein Netz von Informanten auf, das im Krieg gegen die Sowjetunion taktische Informationen gewann. Paul wurde 1945 als Volkssturmführer auf Rügen gefangen genommen. Ein Tribunal des NKWD verurteilte ihn 1946 zu zehn Jahren Lagerhaft. 2001 wurde er von der russischen Justiz rehabilitiert.