Kriegswichtige Forschungen
Bereits vor Kriegsbeginn wurden an der Universität Greifswald kriegswichtige Forschungen durchgeführt. Das Chemische Institut forschte seit der Versetzung Gerhart Jander 1935 zum Verhalten von Molekülen in Aerosolen im Auftrag des Heereswaffenamtes (Abteilung Gasschutz WaPrüf. 9).
Die Vereinnahmung der Universität für militärische Zwecke betraf auch andere Bereiche. Als 1941 das Marineobservatorium von Wilhelmshaven nach Greifswald verlegt wurde, war das Physikalische Institut gezwungen, einen großen Teil seiner Räumlichkeiten abzutreten. Sogar das Hauptgebäude wurde teilweise durch das Militär genutzt. Im Innenhof wurden Laborräume und ein Windkanal errichtet.
Bereits im Januar 1941 strebte die Philosophische Fakultät die Einrichtung eines Extraordinariats für angewandte und Wehrphysik an. Eine entsprechende Abteilung wurde im Februar 1942 errichtet. Das Physikalische Institut war Anfang 1942 mit nahezu allen Mitarbeitern in diese Forschungen einbezogen. Rudolf Seeliger teilte sich die Leitung sämtlicher Kriegsarbeiten mit Otto Reinkober, der insbesondere die Arbeiten für das Reichsluftfahrtministerium und für das Heereswaffenamt koordinierte. Wilhelm Bartholomeyczyk betreute zwei Kriegsarbeiten für das Reichsluftfahrtministerium und die Nachrichtentruppe. Die Assistenten übernahmen weitere Aufträge.
Das Geographische Institut der Universität Greifswald beriet das Oberkommando der Wehrmacht in Einzelfällen. Das Schwedische Institut überwachte die schwedische Presse im Auftrag des Propaganda- und des Innenministeriums und beschaffte Quellen für das Reichsluftfahrtministerium. Hier wurde auch eine Personenkartei geführt, die detaillierte Personencharakteristiken und Beobachtungen festhielt und politische Beurteilungen ermöglichen sollte.
Dem großangelegten Programm des Ministeriums zum Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften waren die Greifswalder Hochschullehrer, die bereit waren, sich einzubringen, zuvor gekommen. Sie hatten bereits 1939 entsprechende Aufträge übernommen. So koordinierte der Anglist Reinhard Haferkorn das Programm des englischsprachigen Senders Radio National. Dafür schrieb er Texte und suchte das britische Personal aus. 1945 geriet er in Gefangenschaft und sagte so umfassend aus, dass seine Mitarbeiter verhaftet und abgeurteilt werden konnten. Auch Haferkorns Kollegen brachten sich in die antibritische und antifranzösische Propaganda bereits vor dem Start des Programms des Ministeriums ein.
Mit der Einsetzung eines neuen Reichsforschungsrates im Juni 1942 wurde die Mobilisierung der Wissenschaften noch einmal forciert. Die Forschung wurde konsequent und beinahe ausschließlich auf kriegswichtige Ziele ausgerichtet.
1942 waren an nicht weniger als 14 Einrichtungen der Universität Wehrmachtsaufträge vergeben (an das Universitätsforstamt, das Pathologische Institut, das Physiologisch-Chemische Institut, das Pharmakologische Institut, die Medizinische Klinik, die Chirurgische Klinik, die HNO-Klinik, die Augenklinik, die Nervenklinik, das Geographische Institut, das Physikalische Institut, das Chemische Institut, das Botanische Institut und das Landwirtschaftliche Forschungslaboratorium).