Gerhart Jander

* 26. Oktober 1892 Alt-Döbern, Kreis Calau 
† 8. Dezember 1961 Berlin (West)
Vater: Lehrer, Seminardirektor
Konfession: evangelisch

Der nach überstandener Kinderlähmung körperbehinderte Jander besuchte mehrere humanistische Gymnasien. Die Reifeprüfung legte er 1912 in Rinteln an der Weser ab. Er volontierte in einer Eisengießerei und Maschinenfabrik und studierte anschließend Chemie und Naturwissenschaften an der TH München und in Berlin. 1917 wurde er in Berlin mit einer Arbeit über die Tellursäure und ihre Salze promoviert. Im April 1918 erhielt Jander eine Assistentenstelle im Institut für Anorganische Chemie der Universität Göttingen. Hier widmete er sich der Kolloidchemie, also dem Verhalten feinst verteilter Stoffe etwa in Dispersionen, Emulsionen oder gasförmigen Nebeln (zum Beispiel Kampfstoffen wie Gelbkreuz (Lost)). Außerdem befasste er sich weiterhin mit den Salzen schwacher mehrbasiger Säuren, den mit ihrem Nachweis verbundenen analytischen Methoden. Ab 1919 war er Assistent, ab 1922 Oberassistent und Leiter der anorganischen Abteilung in dem von Adolf Windaus (1876–1959) geleiteten Chemischen Institut. Mit einer analytisch-technischen Studie „Über die Verwendung der Membranfilter in der Titrieranalyse“ habilitierte sich Jander 1921. Die Ernennung zum  nichtbeamteten außerordentlichen Professor folgte 1925. Nachweisbar führte er seit 1931 im Auftrag der Reichswehr Untersuchungen über chemische Kampfstoffe durch. Ab Oktober 1933 leitete er das Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin-Dahlem (Nachfolge Fritz Haber(1868–1934)). Ein wegen der fehlenden Akten nicht mehr aufzuklärendes Revirement führte 1935 zur Versetzung Janders auf eine ordentliche Professur an die Universität Greifswald. Hier führte er wahrscheinlich weiterhin Aufträge der Gasschutzabteilung des Heereswaffenamts (WaPrüf 9) aus. Das von ihm geleitete Chemische Institut wurde deshalb in die höchste Dringlichkeitsstufe der Forschungsaufträge eingeordnet, nach 1943 wurde es jedoch in den Akten seines Schülers Rudolf Mentzel (jetzt Präsident des Reichforschungsrats) nicht mehr als „kriegswichtig“ eingestuft. Die internationale Reputation als Autor des maßgeblichen Lehrbuchs zur analytischen Chemie und der Druck der Besatzungsmacht führten dazu, dass Jander nach einem informell geführten Entnazifizierungsverfahren im Amt blieb. 1951 wechselte er an die Technische Universität in Berlin (West) und wurde dort zum Direktor des Instituts für Anorganische Chemie ernannt.

O.: Am 9. März 1925 Eintritt in die NSDAP (Mitglied Nr. 2 970); nach eigener Aussage trat Jander 1929 in die NSDAP ein und 1944 aus; 1926/27 Skaldenorden, NSLB überführt in den NSD-Dozentenbund
Anmerkung: Die Darstellung von Kramish, Arnold: Der Mann der Hitlers Atompläne scheitern ließ, München 1987, führt aus, dass Jander einem britischen Agenten den Weg zur Ausspionierung der Heeresversuchsanstalt Peenemünde ebnete. Die Akte des Agenten Paul Rosbaud in den National Archives in London konnte nicht eingesehen werden und ist noch immer gesperrt.
Qu.: UAG PA 228 Jander; BA 4901/23102 PA Jander; BA 4901/13267, Dozentenkartei Jander; Blasius, Ewald: Jander, Gerhart, in NDB 10, 1974, S. 331; zur Gasforschung, vgl. Schmaltz, Florian: Kampfstoff-Forschung im Nationalsozialismus. Zur Kooperation von Kaiser-Wilhelm-Instituten, Militär und Industrie, Göttingen 2005.