Der Hochschullehrernachwuchs

Habilitationsverfahren waren auch vor 1945 ein wichtiges Instrument, um den Hochschullehrernachwuchs zu steuern. Seit 1933 bedurften Habilitationen der Genehmigung des zuständigen Ministeriums. Sie waren an die Fähigkeit des Bewerbers geknüpft, später Beamter werden zu können (damit waren „nichtarische“ Bewerber per se ausgeschlossen). Außerdem setzten sie Dienstverpflichtungen in Wehrsport- und Arbeitslagern und belegte Kurse an der NS-Dozentenakademie voraus. Zudem wurden der Nachweis der besonderen wissenschaftlichen Qualifikation, der Lehrbefähigung (Facultas Docendi), und die Verleihung der Lehrberechtigung (Venia Legendi), streng voneinander geschieden. Durch die Einschränkung der alten Mechanismen der Ordinarienuniversität wurde die Rekrutierungsbasis für den Hochschullehrerberuf stark verengt. Die Zahl der Habilitationen ging insgesamt zurück. Erst 1938 wurden wieder Frauen habilitiert, jedoch nicht in Greifswald. In der Theologischen Fakultät wurde nur ein Nachwuchswissenschaftler habilitiert. In der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät habilitierte sich in der NS-Zeit kein einziger Dozent, obwohl durchaus Bedarf bestanden hätte. Im Fach Philosophie gab es mehrfach Schwierigkeiten mit möglichen Bewerbern. Einen Kandidaten wies die Fakultät ab, weil sie seine Qualifikation nicht als ausreichend betrachtete. Ein weiterer war nach der Dissertation zum Propagandaministerium gewechselt und stellte seine Schrift nicht fertig. In den Naturwissenschaften gab es einen hohen Bedarf an habilitierten Dozenten, da Industrie und Wehrmacht Stellen als Labor- oder Forschungsgruppenleiter gern mit hochqualifizierten Wissenschaftlern besetzten. Mehrere Chemiker und Physiker wanderten dorthin ab. Zugleich ermöglichte die Philosophische Fakultät zwei Wissenschaftlern des Marineobservatoriums, das nach Greifswald verlegt worden war, die Habilitation. Bezeichnend für die Instrumentalisierung des Habilitationsverfahrens ist der Fall Rudolf Mentzel, der im Sinne einer Neuausrichtung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für physikalische Chemie nach Berlin versetzt worden war. Die Habilitation in Greifswald ermöglichte ihm einen weiteren Karrieresprung. Dieser Akt ebnete Mentzel den Weg an die Spitze der DFG, einer der einflussreichsten Positionen der NS-Wissenschaftsorganisation, in der er 1936 den ehemaligen Greifswalder Ordinarius Johannes Stark als Präsidenten ablöste. Eine systematische Nachwuchsförderung gab es nur in der Medizinischen Fakultät, wo die Oberärzte zielstrebig zur Habilitation geführt wurden. Nicht wenige von ihnen trieben gleichzeitig ihre militärische Karriere voran und übernahmen während des Krieges Stellen als Divisionsärzte. In den Kliniken ergänzten aber auch Wehrmachts- und SS-Ärzte ihre Qualifikation. Von ihnen erwarben mindestens zwei den Grad des Dr. habil. ohne eine Dozentur anzustreben.