Theodor Oberländer

Quelle: Archiv

* 1. Mai 1905 Meiningen 
† 4. Mai 1998 Bonn
Vater: Geheimer Regierungsrat
Konfession: evangelisch

Die Reifeprüfung legte Oberländer am Gymnasium Bernhardinum in Meiningen ab. Danach ging er für zwei Jahre in die Landwirtschaft. Er studierte sechs Semester Landwirtschaft und bestand das Diplomexamen. Nach weiteren zwei Semestern wurde er zum Dr. agr. Promoviert. Nach weiteren zwei Semestern Volkswirtschaftslehre wurde er auch zum Dr. rer. pol. promoviert. Das Studium unterbrach er für zwei militärische Übungen als Zeitfreiwilliger. Danach reiste Oberländer durch Sowjetrussland, China, Asien und Amerika. 1932 erhielt er eine Assistentenstelle am Institut für ostdeutsche Wirtschaft an der Universität Königsberg, an der er sich 1933 habilitierte. 1933 wurde er zum Direktor des Instituts für osteuropäische Wirtschaft ernannt, das er in den Folgejahren zu einem Instrument der Gegnerforschung profilierte. 1934 wurde er nichtbeamteter außerordentlicher Professor an der TH Danzig. Parallel trieb er seine militärische Ausbildung voran und wurde 1935 zum Leutnant der Reserve befördert. 1937 wurde Oberländer, der eine steile politische Karriere gemacht hatte (u. a. Leiter des Bundes Deutscher Osten), durch eine Intrige zu Fall gebracht und als beamteter außerordentlicher Professor an die Universität Greifswald versetzt. Sein Lehrauftrag umfasste wirtschaftliche Staatswissenschaften und Osteuropäische Wirtschaft. Im Oktober 1940 wurde Oberländer der deutschen Karls-Universität in Prag als ordentlicher Professor für Volkswirtschaftslehre und Volkswirtschaftspolitik zugewiesen.
Vermutlich seit 1933 arbeitete Oberländer mit dem Amt Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht zusammen. 1938 nahm er an der Besetzung der sudentendeutschen Gebiete teil. Im Mai 1939 absolvierte er erneut eine militärische Übung und wurde unmittelbar nach Kriegsbeginn im besetzten Polen eingesetzt. 1940 arbeitete er in der Verwaltung des Generalgouvernements und plädierte für eine neue Agrarstruktur. Da die SS für sämtliche Bevölkerungsfragen zuständig erklärt wurde, wechselte Oberländer wieder zur Abwehr, wo er die Zusammenarbeit mit ukrainischen Nationalisten vorantrieb und einen Sonderverband („Bataillon Nachtigall“) aufstellte. Nach der Auflösung dieser Einheit wegen Insubordination und rassistischer Vorgaben der NSDAP stellte er einen Kampfverband aus Angehörigen der kaukasischen Völker in den eroberten sowjetischen Gebieten auf. In mehreren Denkschriften plädierte er für eine Besatzungspolitik, die den deutschfreundlichen Völkern größere Rechte einräumen sollte. Da das politisch nicht gewollt war, wurde er im August 1943 aus der Wehrmacht entlassen und trat seine Stelle in Prag an.
Oberländer geriet 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er nach umfangreichen Verhören entlassen wurde. Danach arbeitete er in der Landwirtschaft. 1950 gehörte er zu den Gründern des Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) und wurde zum Landesvorsitzenden in Bayern gewählt. 1951 wurde er Staatssekretär für Flüchtlingsfragen im bayerischen Innenministerium und 1953 in den Bundestag gewählt. Jetzt folgte die Ernennung zum Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen. 1955 trat er mit anderen Abgeordneten zur CDU über. 1958 wurde er zum Landesvorsitzenden Oder/Neiße (für die besetzten Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie) gewählt. 1960 führte die DDR (in Abwesenheit) einen Schauprozess gegen Oberländer durch, um die Politik der Bundesregierung zu diskreditieren. Da sich die SPD und einige CSU-Politiker den von Ostberlin erhobenen Vorwürfen anschlossen, trat Oberländer von seinem Ministeramt zurück. 1964 verlor er auch das Amt des CDU-Vorsitzenden der Vertriebenen. Oberländer widmete sich fortan vor allem der Rehabilitierung seiner Person und führte zahlreiche Verleumdungsprozesse. 1993 wurde das Urteil zu lebenslangem Zuchthaus des Obersten Gerichts der DDR aufgehoben. Später wurde nachgewiesen, dass die Unterlagen, die Oberländers persönliche Beteiligung an Massentötungen beweisen sollten, vom Ministerium für Staatssicherheit manipuliert worden waren.

O.: Bund Oberland, Teilnahme am 9. November 1923, Mitglied des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes, „Inhaber des grünen Dauerausweises Nr. 419“, 1. Mai 1933 NSDAP (Mitglied Nr. 2 331 552); 1933 bis 1937 Leiter des Landesverbandes Ostpreußen des VDA, 1934 bis 1937 Leiter des Bundes Deutscher Osten, 1933 bis 1937 Gauamtsleiter der NSDAP im Gau Ostpreußen; SA Hauptsturmführer; 1948 FDP, 1950 BHE, 1955 CDU.
Qu.: UAG PA 2693 Oberländer, K 791 Bl. 129; BA Berlin R 4901/13278 Karteikarte Oberländer, Mitgliedskarte Ortskartei; Wachs, Philipp-Christian: Der Fall Theodor Oberländer (1905–1998). Ein Lehrstück deutscher Geschichte, Frankfurt am Main und New York 2000.